Vollelektrische Gebäudetechnik
Ein energetisches Forschungsprojekt
Die rahmenlose Photovoltaikfassade an der Südseite ist zweifelsohne der Eye-Catcher des Gebäudes. Zugleich ist sie zentraler Bestandteil eines interessanten Energiekonzeptes: Denn das Passivhaus wird von der Heizung bis zum Warmwasser vollständig mit Strom betrieben. Dabei deckt die PV-Anlage im Jahresmittel über 50 % des gesamten Energiebedarfs.
Das Grundstück liegt am Rande eines öffentlich genutzten Grüngürtels zwischen der Innsbrucker Innpromenade und dem Olympischen Dorf. Künftig unterstützt dort das Haus für psychosoziale Begleitung und Wohnen seine Klienten nach einem Klinikaufenthalt bei ihrer Rückkehr in ein eigenständiges Leben. Insgesamt bieten darin 14 Kleinwohnungen ein betreutes Wohnumfeld mit therapeutischem Angebot: Im Dachgeschoss stehen Therapieräume zur Verfügung. Im Untergeschoss ist ein Werkraum mit entsprechenden Nebenräumen angeordnet. Und im Erdgeschoss befindet sich die Verwaltung sowie ein gemeinsamer Aufenthaltsraum mit Kochbereich. Über das Treppenhaus mit Lift sind alle Geschosse auf kurzem Weg erreichbar.
Ursprünglich war das Gebäude mit Wärmedämmverbundsystem und vorgehängter Aluminium-Fassade geplant. Erst als die Ausführungsplanung schon fast abgeschlossen war, wurden die Planer auf die Möglichkeiten der Green Code Bauelemente aufmerksam: Durch Fertigteile mit Farbbeton konnte das ganze Gebäude von den Wänden bis zum Dach im selben Material und Farbton ausgeführt werden, um seinen monolithischen Charakter zu verstärken und ihm eine beruhigende Wirkung zu verleihen. Dabei liegt die Dämmschicht nun dauerhaft geschützt im Betonkern der Thermowände, wodurch die Fassade nicht mehr aufwendig gewartet werden muss. Zudem beschleunigte die Vorfertigung den Bauablauf und kompensierte die Verzögerungen durch die späte Neukonzeption.
Um die Machbarkeit zu demonstrieren, erarbeitete die Progress AG auf eigene Kosten neue Pläne für die Ausführung in Betonfertigteilen. Im Vorfeld erstellte sie Renderings, präsentierte Muster für den Farbbeton und fertigte ein Modell für die außergewöhnliche Dachkonstruktion: Denn die Thermowände gehen im Norden und Westen in Dachflächen über, die aus dem gleichen Farbbeton bestehen. Dort ist vor eine gedämmte und abgedichtete Doppelwand der Farbbeton in 10 cm starken Fassadenplatten vorgehängt und hinterlüftet. Für eine rundum homogene Gebäudehülle kommen auch im überdachten Terrassenbereich vorgefertigte Deckenelemente mit integrierter Dämmung zum Einsatz, die dort eine schalungsglatte Deckenuntersicht mit Farbbeton ermöglichen. Die Planungsergebnisse haben überzeugt und am Ende wurde die neue Ausführung in hochwertigen Betonfertigteilen sogar kostenneutral realisiert.
Nach wie vor erfüllt das Gebäude den Passivhausstandard und die Vorgaben der Wohnbauförderung. Das Außergewöhnliche ist dabei die Energieversorgung, denn diese erfolgt rein elektrisch – mit PV-Anlage und Restenergieabdeckung aus dem Netz.
Die gesamte Südfassade ist mit einer rahmenlose Photovoltaik-Anlage verkleidet. An deren Unterkonstruktion sind Leistungsoptimierer verbaut, die bei Verschattung den Wirkungsgrad der Solarzellen steigern. Mit einer Fläche von 200 m² soll die Anlage jährlich rund 28.000 kWh Energie bereitstellen. Diese Energie wird nicht nur für den Haushaltsstrom benötigt – sie speist auch die gesamte Gebäudetechnik: Elektroboiler, elektrische Heizkörper, Lift, Lüftungsanlage und eine Ladestation für Elektrofahrzeuge.
Nur mit Strom aus dem Netz wäre die dezentrale Warmwasserbereitung und elektrische Heizung nicht rentabel. Die Photovoltaik-Anlage deckt jedoch im Jahresmittel schon über 50 % des gesamten Energiebedarfs: In ertragsreichen Zeiten wandern bis zu 19,8 kWh überschüssige Energie in eine Speicherbatterie. Das teure Stromnetz wird erst angezapft, wenn der direkte Solarertrag nicht ausreicht und die Reserven der Batterie erschöpft sind. Dabei belohnt das angewendete Mieterstrom-Modell ein effizientes Nutzerverhalten, indem sich der Strompreis nach dem aktuellen Solar ertrag richtet. Wer seine Geräte bei hoher Verfügbarkeit betreibt, spart Geld.
Die Universität Innsbruck begleitet dieses Energiekonzept, um dessen Möglichkeiten und Folgen auszuloten. So werden unter anderem die Auswirkungen auf die Energieversorgung, den Primärenergieeinsatz sowie die CO2-Bilanz hochgerechnet und bewertet. Interessant sind auch die Perspektiven für bezahlbares Wohnen, denn durch die dezentrale Warmwasserbereitung und die Elektroheizungen verändern sich die Installationsaufwendungen: Es liegt nur noch eine Kaltwasserleitung vor – Heizungsvorlauf- und Rücklaufleitungen sowie Warmwasser- und Zirkulationsleitungen sind überflüssig. Dadurch verringern sich auch die Wärmeleitungsverluste und der Energiebedarf für Pumpen. Der Endenergieeinsatz sollte sich also drastisch reduzieren. Die Energiekosten pro Kilowattstunde sind bei einer rein elektrischen Energieversorgung zwar höher, aber das wird durch den Ertrag der PV-Anlage kompensiert.